Eine „Mahatma-Gandhi-Brücke“ in Hamburg und die „unsichtbare Hand“ von Adam Smith

In der anhaltenden Diskussion um die Umbenennung der Sandtorhafen-Klappbrücke in die Mahatma-Gandhi-Brücke hat das Hamburger Abendblatt (30.03.2012) jetzt mit Herrn Dipanker Sinha-Roy erfreulicherweise einen der Initiatoren der Mahatma-Gandhi-Gedenkinitiative zu Wort kommen lassen und berichtet:

Dipanker Sinha-Roy ist irritiert. Vor Jahren hatte der gebürtige Inder vom Mahatma Gandhi Memorial Committee Unterschriften für eine Mahatma-Gandhi-Straße gesammelt. 9500 Hamburger haben unterschrieben, wollen so an den indischen Unabhängigkeitskämpfer erinnern. Die HafenCity-Bewohner aber wollen diesen Namen nicht. „Die HafenCity ist kein Dorf, sondern ein prominenter, internationaler Ort in Hamburg. Mahatma Gandhi gehört zur HafenCity, er gehört zur Welt“, sagt Herr Sinha-Roy. (Hamburger Abendblatt, 30.03.2012)

Es ist  interessant zu sehen, wie eine langjährige Initiative („Mahatma Gandhi Memorial Committee“) unterstützt von 9.500 Bürgerinnen und Bürgern von einer deutlich kleineren dafür aber lautstark protestierenden Gruppe von rund 100 Teilnehmern beinahe (oder demnächst vielleicht tatsächlich) unterminiert werden kann, indem die Letztere durch  medienwirksam organisierte Proteste politische Aufmerksamkeit auf sich zieht. Das erinnert an den Ansatz der „unsichtbaren Hand“, der von Adam Smith, dem Gründungsvater der Naktionalökonomie geprägt wurde:

Ein interessanter Aspekt ist, dass Smith vor „Gefährdung des einfachen Systems der natürlichen Freiheit“ durch gut organisierte, privilegiensuchende Interessengruppen warnte. Aufbauend auf Smiths Erkenntnisse hat Milton Friedman, ein mit Nobelpreis ausgezeichneter US Nationalökonom, den Ansatz der unsichtbaren Hand erweitert […]. Auch Friedman bemängelt, dass: „in a political system, small concentrated interests have far greater power than widely dispersed diffused interests“ (Friedman, 1981, S.12).

(Quelle: Tiwari, R. (2002): Die unsichtbare Hand: Eine kritische Analyse des Ansatzes Adam Smiths  zur Lösung Doppelter Kontingenz, Universität Hamburg, S. 10 f).

Für sich genommen scheint die Kontroverse um die Mahatma-Gandhi-Brücke in Hamburg eher „unwürdig“, denn Mahatma Gandhi, der seine Werte und Ideale alleine aus Überzeugung (und nicht in der Hoffnung auf Ehrungen) auch selber vorlebte und bereits vor über 64 Jahren den Kugeln eines Nationalisten in Indien zum Opfer fiel, ist kaum auf Ehrung durch die Nachwelt angewiesen. Die Widmung dieser Brücke an (oder generell eine Ehrung von) Mahatma Gandhi zeichnet im Grunde genommen daher auch weniger den Mahatma und vielmehr die Freie und Hansestadt Hamburg aus, da sie sich und ihre Bürgerinnen und Bürger aber auch die zahlreichen Touristen aus aller Welt an die Ideale (z.B. ein friedliches Miteinander, Gewaltlosigkeit und Toleranz) und das Leben Gandhis erinnert und ein Zeichen der Offenheit setzt.

Das Hamburger Abendblatt (29.03.2012) zitiert eine interessante wie bemerkenswerte Aussage aus einem Gespräch mit Frau Conceicao Feist vom Netzwerk HafenCity: >> Es sei „seltsam“, dass eine Mahatma-Gandhi-Brücke auf den zukünftigen Platz der deutschen Einheit vor der Elbphilharmonie führe <<. Eine ähnliche Argumentationslinie wird auch in einer Pressemitteilung des Netzwerk HafenCity (vom 20.03.2012) verfolgt. Dort heißt es wörtlich:

Die Absicht, die Frei- und Treppenflächen vor der Elbphilharmonie “Platz der Deutschen Einheit“ zu benennen, wird dagegen von der Arbeitsgruppe positiv gesehen. „In diesem Zusammenhang ist die Umbenennung der Mahatma-Gandhi-Brücke für uns wieder in den Vordergrund getreten.

Verträgt sich also ein Platz der „Deutschen“ Einheit nicht mit (dem Inder) Mahatma Gandhi; oder versteht man diese Sätze nicht richtig? Ist das etwa der wahre Grund des Protestes? Ist das der Grund, dass die Pressemitteilung einen anderen „angemessenen“ Platz als eine Brücke vor dem Platz der Deutschen Einheit für Gandhi befürwortet?

Es stellt sich damit auch die Frage, welches Zeichen die protestierenden „Lokalpatrioten(?)“ in die Welt setzen wollen, wenn in der weltoffenen Hanse- und Hafenstadt Hamburg die Erinerung an einen Friedensapostel wie Mahatma Gandhi am Widerstand einiger (Wut?-)Bürger scheitert. Und dies einige Wochen vor dem 823. Hamburger Hafengeburtstag, zu dem Indien als Partnerland eingeladen ist…. Die Bundesrepublik Deutschland und Indien feiern unter dem Motto „Germany and India: Infinite Opportunities“ ihre bereits 60 Jahre bestehenden diplomatischen Beziehungen. Gerade geht ein „Deutschland-Jahr“ in Indien zu Ende. Im Mai wird das „Indien-Jahr“ in Deutschland mit einer Auftaktveranstaltung in Hamburg eröffnet. Dazu liefert die unschöne Diskussion um die Mahatma-Gandhi-Brücke jetzt die „perfekte“ Vorlage…

Die Umbenennung der Brücke in die Mahatma-Gandhi-Brücke hätte eigentlich auch eine ausdrückliche Botschaft der Freundschaft an die aufstrebende Wirtschaftsmacht Indien geliefert, mit der das hanseatische Handelsvolumen in den letzten 8 Jahren sich beinahe verdreifacht hat. Auch der bilaterale Handel zwischen Deutschland und Indien wächst seit Jahren überdurchschnittlich stark. Welche Botschaft jetzt mit dieser eher unschönen Diskussion übermittelt wird, mag man sich eher nicht vorstellen.

Protest gegen „Mahatma-Gandhi-Brücke“ in Hamburg

Eine Gruppe von Anwohnern in Hamburg protestiert mit fragwürdigen Argumenten gegen die Umbenennung einer Brücke in die „Mahatma-Gandhi-Brücke“, die erst im Mai 2011 von den Behörden der Freie und Hansestadt Hamburg beschlossen worden war.

Wie das Hamburger Abendblatt (20.03.2012) berichtet:

Die Mahatma-Gandhi-Brücke hieß bis vor Kurzem ganz gewöhnlich Sandtorhafen-Klappbrücke, und das war auch gut so, finden Conceicao Feist, Susanne Wegener und ihre Mitstreiter vom Netzwerk Hafen-City. Dass die Klappbrücke an der Elbphilharmonie nun nach dem indischen Unabhängigkeitskämpfer benannt wurde, passe nicht. „Das hat keinen Bezug zur Geschichte des Hamburger Hafens, der an dieser Stelle seinen Ursprung hat“, findet Feist. „Es ist unerträglich, dass der wichtige Mahatma Gandhi mit einer Klappbrücke geehrt wird.“ […] Sie wünschen sich traditionellere, hamburgische Namen mit geschichtlichen Bezügen zu ihrem Stadtteil.

Laut einem Bericht der Bild-Zeitung (8. Januar 2012) zählt die Initiative 100 Mitglieder.

Weiterführende Quellen: